Diskursbegriff bei Habermas

Der Diskursbegriff wird bei Habermas im Zuge seines utopischen Entwurfs einer Kommunikationsgesellschaft entwickelt. Diskurs bezeichnet ein rational funktionierendes, herrschaftsfreies Gespräch zwischen Individuen, die prinzipiell gleichberechtigt sind und sich auf der Grundlage vernunftgeleiteten Denkens in der Tradition der Aufklärung begegnen. Die Herrschaftsfreiheit soll gewährleisten, dass alle Stimmen sich artikulieren können und gehört werden. Rationalität sichert, dass die Beiträge sich nicht durch Machtprinzipien, etwa Lautstärke oder ökonomische Abhängigkeiten durchsetzen, sondern durch die bessere argumentative Kraft. Nur das Zusammenspiel aller möglichen Positionen, Meinungen und Beiträge ermöglicht das Zustandekommen eines Konsenses, der über einen bloßen Kompromiss hinausgeht. Ein Kompromiss ist eine Verständigung von Individuen, wobei jeder von seinen Forderungen ein Schritt weit Abstand nimmt und sich mit einer Position irgendwo zwischen den verschiedenen Erwartungen zufrieden gibt. Ein Konsens dagegen vereinigt die Vorteile aller geäußerten Positionen zu einer neuen, in sich konsistenten Position, die nicht irgendwo zwischen den geäußerten Meinungen liegt, sondern diese übersteigt. Insofern ist Konsens eine regulative Idee, die das Ziel jeden Diskurses darstellt, auch wenn sie in konkreten Situationen nicht immer erreicht werden kann.

Stefan Haas