Jacques Lacan – Werk

Der französische Psychoanalytiker Jacques-Marie Émile Lacan zählt zu den Vorreitern des Poststrukturalismus. Er verhalf der Psychoanalyse zu größerer Verbreitung, indem er sie nicht nur als eine Therapie, sondern auch als eine Philosophie vermittelte.

Lacan wollte die Lehre Freuds neu interpretieren und insbesondere im Bereich der Therapie von Psychosen weiterführen. Dabei orientierte er sich, wie auch die anderen Strukturalisten seiner Zeit, an der strukturalen Betrachtungsweise der Linguistik von de Saussure und Jakobson. Er war überzeugt, dass sich das Unbewusste des Patienten genau wie das System einer Sprache analysieren lasse. Lacan untersuchte intensiv die sprachlichen Äußerungen des Patienten, um das Unbewusste zu präzisieren.

Durch Alexandre Kojève von der phänomenologischen Lehre Hegels beeinflusst, stellte er seine entwicklungshistorische Theorie des Spiegelstadiums auf, innerhalb dessen das frühkindliche Subjekt einen Identifikationsprozess durchläuft, der sich am Wahrnehmen des eigenen Spiegelbildes und im Verhältnis zu der Gestalt eines anderen orientiert. Diese Theorie wurde breit rezipiert, vor allem in Theorien zum Film, zur Literatur und zur bildenden Kunst bedient man sich des Spiegelstadiums als heuristisches Modell.

Lacan reformierte den cartesianischen Begriff des cogito als Begehren: Er entwickelte die These, dass Begehren nicht den Anderen begehren ist, sondern das Begehren des Anderen begehren.

Unter den französischen Psychoanalytikern entzündete sich in den 1950er Jahren ein Konflikt, der auch die Kritik an Lacans skandierten Sitzungen beinhaltete. Diese sogenannten Kurzsitzungen variierten in ihrer Dauer, denn ein bedeutender Bestandteil seiner Therapiemethode war das Abbrechen der Sitzung, sobald der Patient einen signifikanten Begriff äußerte. Lacan wurde vorgeworfen, diese Methode nur zur eigenen Profitmaximierung anzuwenden.

Neben der Vermittlung einer Theorie des Unbewussten ging es Lacan um die Einrichtung einer streng psychoanalytischen Ausbildung. Er hegte großes Interesse an den Surrealisten und eventuell resultierte aus diesem Umgang auch sein unkonventioneller Schreibstil. Seine wichtigsten Aufsätze wurden 1966 als die Schriften veröffentlicht. Nur teilweise publiziert sind seine jährlich abgehaltenen, allgemein zugänglichen Seminare, die Intellektuelle aus verschiedensten Disziplinen besucht hatten.

Miriam Schall