Postmoderne Einleitung

Der Begriff der Postmoderne dominiert die theoretischen Diskussionen seit Mitte der 1980er Jahre. Wurde er anfangs noch als feuilletonistischer Budenzauber abgetan, so ist Begriff und Sache mittlerweile als ernstzunehmender, spannender und ideenreicher Diskurs etabliert. Dennoch ist der Begriff heterogen, ambivalent, mehrdeutig, so dass seine jeweilige Verwendung ohne Definition des Gemeinten nicht auskommt. Unter diesem Begriff sammeln sich alle Erweiterungs- und Erneuerungsversuche von Wissenschaft, Kultur und Alltag, deren gemeinsamer Nenner vielleicht nur in ihrer Ablehnung von Mechanismus, einseitigem Rationalismus, technischem Fortschrittsglauben und den traditionellen sozialen Bezugsmodellen von Ehe und Familie zu finden ist.

Andererseits ist aber auch die in vielen postmodernen Zirkeln gepflegte Hoffnung von der Auflösung des Subjekts im Internet, dem Traum von der Vielfalt der Identitäten, die man wechseln kann wie seine Kleidung, abhängig vom technischen Fortschritt. Und der Glaube an die Vielfalt der Kulturen und Lebensformen setzt jenen individualistischen Toleranzdiskurs fort, der in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts begann und zu den prägenden Elementen der Moderne gehört.

Postmoderne ist daher immer noch eine Moderne, eine Moderne in der Phase ihrer radikalen Selbstkritik und Auflösung. Noch keine neue Epoche, aber zunehmend bestimmt von dem Gefühl, in einer anderen Welt zu leben, als jene Menschen, die im Zeitalter der Industrialisierung an den Fortschritt der Technik, die gerechte Lösung der sozialen Probleme in einer nivellierenden Gesellschaft und einem einklagbaren Individualrecht glaubten. Kaum ein Bild verdeutlicht die Distanz wohl mehr, als der Hochofen einerseits, in dessen überwältigendem Anblick feuerroten Funkengestöbers schweißgebadete Männer in Sandbahnen versuchen, den Abstich des flüssigen, tödlichen Eisens in eine produktive Bahn zu lenken und das Fehlen der Frauen nur auf die Eindeutigkeit der Rollenmuster verweist, und die computerisierte Roboterproduktionsstraße andererseits, die weiß und neongebadet Menschen nur im weißen Ganzkörperanzug zulässt, hinter deren Kopfbedeckung und Schutzbrille weder die Individualität noch Alter oder Geschlecht des Einzelnen erkennbar sind.

Stefan Haas

Literatur

Die wahrscheinlich immer noch beste Zusammenfassung der Diskussion, wenn auch schon einige Jahre alt, mit Schwerpunkt Philosophie aber auch Architektur, Gesellschaftstheorie u.a. streifend:

Wolfgang Welsch: Unsere postmoderne Moderne, Akademie Verlag: Berlin 51997.

Gute Sammlung der klassischen Originaltexte:

Wolfgang Welsch (Hg.), Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion, VCH: Weinheim 1988.

Literatur aus der Formierungsphase der Postmoderne:

Burghart Schmidt: Postmoderne. Strategien des Vergessens. Ein kritischer Bericht, Darmstadt/Neuwied 1986.

Christa und Peter Bürger (Hg.): Postmoderne. Alltag, Allegorie und Avantgarde, Frankfurt/M. 1987.

Andreas Huyssen/Klaus R. Scherpe (Hg.): Postmoderne. Zeichen eines kulturellen Wandels, Reinbek 1986.